Sie sorgen alljährlich für medialen Wirbel, obwohl sie sich nur in Nuancen verändern: Knud Bielefelds Listen der 1.000 beliebtesten Babynamen. Doch was ein richtiger Fan ist, der geht die frisch veröffentlichten Charts, für die „Deutschlands einziger Vornamen-Influencer“ 2024 insgesamt etwa 36 Prozent aller Geburten erfasst hat, auch auf der Suche nach den besagten Nuancen gespannt durch. Noch wichtiger: Es gibt immer Menschen, die sich das allererste Mal damit beschäftigen, wie Kinder heute heißen. Und die dringend herausfinden wollen, ob die Namen, die sie für eigenen Nachwuchs favorisieren, eher „Sammelbegriffe“ oder (zu?) individuell sind.
In unserem schon traditionellen Interview spricht Knud Bielefeld über Spitzenreiter, Namen im Trend und über Phänomene, die selbst ihn, der das Thema Babynamen seit 2005 systematisch untersucht, verblüfft haben.
Annemarie Lüning: Emilia und Noah sind 2024 in dieser Kombination das dritte Mal in Folge Deutschlands beliebteste Babynamen. War es ein Kopf-an-Kopf-Rennen oder schon früh entschieden?
Knud Bielefeld: Anfang des Jahres sah es mal so aus, als könnte Matteo Noah vom Thron stoßen. Dieser Name hat – wenn man Schreibvarianten wie Mateo oder Matheo miteinbezieht – in den letzten Jahren einen ungewöhnlich steilen Aufstieg erlebt. Letztlich war der Sieg von Noah aber eindeutig. Es wäre auch keine Überraschung für mich, wenn Noah und Emilia ein weiteres Jahr Spitzenreiter bleiben. Generell sind die Top 10 der Vornamen ziemlich langlebig. Um eine Liste zu finden, in der keiner der beiden aktuellen Topnamen enthalten ist, müsste man bis ins Jahr 2012 zurückgehen.
AL: Bei welchen Namen konntest du 2024 einen besonderen Aufwärtstrend feststellen?
KB: Bei den Jungs sind das Emilio, Jano, Josef, Leano, Linus, Maleo, Marlo, Milan, Toni und Valentin. Und bei den Mädchen Alea, Amelie, Ayla, Aurelia, Dua, Elli, Hailey, Inaya, Luna und Malia.
AL: Eine ziemlich bunte Mischung! Wenn ich da kommentieren darf: Mir fällt nach wie vor ein deutlicher Hang zum Hiat auf, also zum Vokalzusammenstoß wie etwa bei Maleo oder Malia. Und bei den Jungen die Endung -o. Oh, und bei den Mädchen womöglich eine Hommage an Sängerin Dua Lipa. Last but not least: Der Name unseres Hundes kommt bei deinen Trendnamen auch vor. Eine schöne Bestätigung für meine These, dass gerade mancher alte Name sich erst als Tiername etabliert, bevor er für Kinder wieder gängig wird. Vielleicht entpuppt sich Elli ja sogar als nächste Leni?
KB: Wobei zum Erfolg von Leni ja ein prominentes Kind, die 2004 geborene Leni Klum, viel beigetragen hat. Übrigens kam Inaya 2023 als Babyname in einer Doku-Soap ins Gespräch, was diesen arabischen Namen bekannter gemacht haben dürfte.
AL: Außerdem hast du eine kleine Hitliste der Namen ermittelt, die 2023 noch nicht zu den Top 500 gehört haben.
KB: Ja, genau. Der alte Mädchenname Erika ist unter anderem dabei, der jetzt immerhin auf Platz 395 gelandet ist, und bei den Jungen beispielsweise Troi. Hier wäre ich neugierig auf Tipps, was diesen Namen so gepusht haben könnte.
AL: Worauf hast du in diesem Jahr noch gespannt geschaut, was hat dich überrascht?
KB: Das war einmal der Name Taylor. Tatsächlich hatte der Rummel um Sängerin Taylor Swift und ihre Tour überhaupt keine Auswirkung auf diesen Unisexnamen: Er wird bei uns immer noch deutlich häufiger an Jungen vergeben. Sehr erstaunlich finde ich ein anderes Phänomen, das mir in letzter Zeit immer wieder auffällt: zwei sehr ähnliche Vornamen, die mit Bindestrich aneinandergehängt werden. So etwas wie – das ist jetzt ein fiktives Beispiel – Emilian-Emilio. Warum machen Eltern das? Soll das witzig sein? Eine Entdeckung wartete außerdem im Bereich der zweiten Vornamen auf mich …
AL: Die Liste der beliebtesten Zweitnamen ist doch sonst immer sehr unspektakulär. Jahr um Jahr Sophie und Marie sowie Alexander an der Spitze …
KB: Das hat sich auch 2024 nicht geändert. Etwa jedes zweite in Deutschland geborene Kind hat mehr als einen Vornamen. Mia Sophie und Finn Luca sind die beliebtesten Kombinationen aus Erst- und Zweitnamen. Verblüfft hat mich ein Name, der es auf Platz 25 der beliebtesten Zweitnamen für Mädchen geschafft hat: Hope. 2023 lag Hope noch auf Platz 61 – ein solcher Sprung ist mir bei den Zweitnamen in all den Jahren noch nie aufgefallen.
AL: Wie wird dieser Name kombiniert? Und hast du eine Erklärung für den plötzlichen Aufstieg?
KB: Besonders häufig gibt es Emilia Hope, weil ja auch Emilia häufig ist. Melody Hope, Hailey Hope, Mila Hope … da geht viel. Klassischere Erstnamen wie Katharina oder Elisabeth kommen zu Hope aber praktisch nicht vor. Und eine Erklärung … die liegt wohl auf der Hand. Es gibt dieser Tage so viele Sorgen in der Welt. Die Bedeutung von Hope versteht eigentlich jeder.
AL: Wie gefällt dir persönlich dieser Name?
KB: Nicht so besonders, ehrlich gesagt. Ich mag es nicht, wenn einen die Bedeutung eines Namens so anschreit: „Mein zweiter Vorname ist übrigens Hoffnung“ … In dem aus dem Reality-Fernsehen bekannten Familienclan Wollny gibt es seit 2023 eine kleine Hope, da ist es allerdings der Erstname: Hope Angel Silvia Wollny.
AL: Wüsstest du aus dem Stand andere Namen mit derselben Bedeutung, vielleicht etwas versteckter?
KB: Tatsächlich sind Bedeutung und Herkunft von Namen Themen, die mich weitaus weniger interessieren als Trends oder Statistiken. Aber … (nutzt die Suche auf beliebte-vornamen.de) eine Blitzrecherche ergibt: Auch der slawische Vorname Nada, der türkische Mädchenname Umay sowie der russische Name Nadjeschda und davon abgeleitet Nadja und Nadine bedeuten Hoffnung.
AL: Zum Schluss etwas ganz anderes: Du hast die aktuelle Hitliste hier im Blog mit ganz viel Bezügen zu Harry Potter verpackt veröffentlicht. „In einem kleinen, versteckten Büro irgendwo in der Muggelwelt saß ein Mann namens Knud Bielefeld, dessen Name in den Kreisen der Zauberer wohl kaum bekannt war …“ Wie kam es dazu? Bist du Fan?
KB: Nein, eigentlich nicht. Das war eine ganz spontane Idee. Ich habe meinen Text von ChatGPT umformulieren lassen, als wenn es ein Kapitel in „Harry Potter“ wäre.
AL: Na, das ist auf jeden Fall sehr 2024! Hast du – auch ohne Fan zu sein – einen Lieblingsnamen aus dem Potter-Universum?
KB: Ja, der der Hexe Mafalda Hopfkirch.
Zufall oder nicht: Auch der „Spiegel“ widmet seine Ausgabe 1/2025 dem Thema Hoffnung (ohne Bezug auf den Namenstrend). In einem Essay von Jonathan Stock heißt es unter anderem:
„Hoffnung ist ein starker Antrieb in Krisenzeiten, eine mächtige Kraft, vielleicht die mächtigste. Es ist der Glaube an eine bessere Zukunft. Die schwer zu erreichen ist, aber nicht in ungreifbarer Ferne liegt.“
… Erika und die Familie der Riken
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