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Channel: Annemarie Lüning | Beliebte Vornamen
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Das Hitlisten-Interview: „Vielleicht trinken die Eltern von Matteo gerne Tee?“

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Piet, Alex, Ferdinand, Yasin, Lennox … pünktlich zum Jahresende können sich Namensinteressierte wieder an den von Knud Bielefeld aus Ahrensburg ermittelten Hitlisten erfreuen, in denen Unterschiedlichstes einträchtig nebeneinander steht. Die hier herausgegriffenen Jungennamen – vom norddeutschen Piet (Platz 162) bis zum neudeutschen Lennox (Platz 166) – belegen, wie bunt und vielfältig es in unserer Gesellschaft zugeht, jedenfalls bei den Babynamen. Bielefelds Listen der 1.000 beliebtesten Namen des Jahres basieren auf einer repräsentativen Stichprobe von 230.000 Babys aus 433 Städten. Das sind ungefähr 30 Prozent aller 2021 in Deutschland geborenen Kinder.

Annemarie Lüning: Fangen wir mit den Spitzenreitern an. Da gab es in diesem Jahr einen Wechsel: Emilia und Matteo haben die Vorjahressieger Mia und Noah abgelöst und sind jetzt die häufigsten Babyvornamen Deutschlands. Hat dich das überrascht?

Knud Bielefeld: Im Fall von Emilia hatte ich das schon länger kommen sehen. Bei Matteo war es etwas anders, bei diesem Namen gab es in den letzten Jahren sprunghafte Zuwächse. 2019 war er noch nicht mal in den Top Ten.

AL: Wie erklärst du dir die große Beliebtheit von Matteo?

KB: Vermutlich kommen mehrere Faktoren zusammen. Der Buchstabe M ist beliebt, der Name ist eher kurz, das ist auch gut, und vokalreich. Viele Eltern mögen den Klang von Doppelvokalen, das sieht man schon an den ersten drei Plätzen in der Hitliste der Jungen: Matteo, Noah und Leon. Matteo ist ein frischer, unverbrauchter Name, man kennt ihn quasi noch gar nicht von Erwachsenen. Zugleich wirkt er vertraut durch den in der Eltern- und Großelterngeneration gängigen Matthias sowie durch Theo, der seinerseits – bei Liebhabern alter Namen – recht erfolgreich ist. Und dann ist da noch die Assoziation zu dem gesunden Mate-Tee. Als die zuerst an mich herangetragen wurde, musste ich etwas schmunzeln. Aber vielleicht wirkt sie unterschwellig doch und lädt den Namen positiv auf?

AL: Was fällt dir – abgesehen vom Vokalreichtum – noch bei den Aufsteigernamen des Jahres auf?

Knud Bielefeld zeigt auf ein Foto, auf dem Knud Bielefeld auf eine Excel-Tabelle zeigt. Foto: Knud Bielefeld

KB: Fast alle der Namen mit deutlichem Aufwärtstrend enthalten ein L und fallen in eine Kategorie, die die Kommentatorinnen und Kommentatoren meines Blogs – mal kritisch, mal liebevoll – mit „Lalelu-Namen“ betiteln: Leo, Levi, Liam, Lio sowie Alya, Malea, Leni, Lia, Malia und Malou. Nur Matteo und Theo haben es auch ohne L geschafft, vorzupreschen.

AL: 2020 hattest du coronabedingt zunächst Probleme beim Erstellen deiner Listen, weil die Quelle der Babygalerien der Geburtskliniken wegfiel: Im Lockdown durften die Fotografinnen und Fotografen nicht in die Krankenhäuser. Wie hat sich die Pandemie in diesem Jahr auf deine Arbeit ausgewirkt?

KB: Anfang des Jahres lag durch den Lockdown ja wieder alles im Dornröschenschlaf, aus dem man erst zum Sommer hin wieder erwachte. Meiner Arbeit hat diese Zeit nicht geschadet, ich konnte meine 2020 begonnene Zusammenarbeit mit Standesämtern sogar noch ausbauen. Dadurch ist meine Stichprobe in diesem Jahr so groß wie nie zuvor. Zwei Drittel meiner Daten stammen aus Ämtern, ein Drittel aus Geburtskliniken. Nebenbei habe ich nun den Beweis dafür, dass die Unterschiede zwischen den Namen in Babygalerien und dem, was ans Standesamt gemeldet wird, zu vernachlässigen sind: Bei Städten, wo ich beides hatte – natürlich ohne es doppelt in die Statistik einfließen zu lassen –, ergaben sich sehr ähnliche Listen.

AL: Sind dir Namen mit Bezügen zum Weltgeschehen oder der Popkultur aufgefallen, die es – ähnlich wie zuletzt Namen aus „Game of Thrones“ – in deine Auswertungen geschafft haben?

KB: Ja, Soulin kam ein paarmal vor, wenn auch selten – so hieß in diesem Jahr eine Finalistin von „Germany‘s Next Topmodel“. Der Mädchenname Dua hat es in die Top 250 geschafft, nachdem er 2019 zuerst in den Top 500 aufgetaucht ist, sehr wahrscheinlich beeinflusst durch Sängerin Dua Lipa. Aufgefallen ist mir außerdem die Top-500-Neueinsteigerin Enola. Die Titelfigur einer erfolgreichen Netflix-Verfilmung um Sherlock Holmes kleine Schwester heißt so.

AL: Was gibt es noch Neues von beliebte-vornamen.de zu berichten?

KB: Da erwähne ich gerne noch mal unser schönes „Suchbuch“ rund um die beliebtesten Babynamen der Norddeutschen, „So will ich heißen!“. Dieses Projekt ergab sich Anfang des Jahres ganz plötzlich, ab dem Sommer war das Buch dann erhältlich. Durch die Arbeit daran, insbesondere durch die von mir neu erfundenen „Babynamen-Battles“, Hamburg gegen Bremen und so weiter, kam ich dann auf die Idee für meine neue, zugleich praktische und unterhaltsame App Horstomat.
Gefreut habe ich mich, dass ich 2021 – ohne eigentlich gesucht zu haben – eine neue feste Autorin für das beliebte-Vornamen-Blog gefunden habe. Vivi war erst nur begeisterte Kommentatorin. Schon weil sie deutlich jünger ist als du und ich und dazu noch aus Süddeutschland stammt, ist ihr Blickwinkel eine Bereicherung.

AL: Du hast auch mit interaktiven Formaten experimentiert …?

KB: Ja, auf Instagram lade ich manchmal zu einer Fragerunde. Da prasselt es dann auf mich ein, „Was ist ein schöner Geschwistername zu Matteo?“, „Sind Namen mit drei Bindestrichen zulässig?“– mal ernsthaft, mal lustig, das macht mir viel Spaß. Über das Blog habe ich außerdem zu virtuellen Meetings bei Clubhouse und Zoom aufgerufen, die Resonanz war gemischt: Mal war ein Dutzend Frauen dabei, mal nur eine, nie jedoch ein Mann. Witzig fand ich, dass mir dabei eine junge Frau verriet, sie sei schon seit bald zwanzig Jahren Fan meiner Namenslisten. Sie hat schon als Teenager angefangen, sich für das Thema zu interessieren.

AL: Du liebst es, Achterbahn zu fahren. Siehst du Parallelen zwischen deinen Hobbys? Die Entwicklung der Babynamenhitlisten ist ja eine vergleichsweise ruhige Fahrt mit eher seltenen Ausreißern …

KB: Ja, mir machen eben ganz unterschiedliche Dinge Spaß. Wenn ich in einer Achterbahn sitze, bin ich ausgeliefert, dann gibt es kein Entkommen mehr. Die Fahrt ist rasend schnell, aufregend und harmlos zugleich. Dagegen muss man im Leben dauernd Entscheidungen treffen. Auch für mein Namenshobby entscheide ich mich immer wieder neu.

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