Um vom weisen König Salomo oder Salomon und den nach ihm benannten salomonischen Entscheidungen gehört zu haben, muss man nicht besonders bibelfest sein. Ich sehe da sofort ein Bild vor mir, das ich vor über vierzig Jahren fasziniert und mit einigem Grusel in meiner Kinderbibel betrachtet habe: ein Mann auf einem Thron, vor sich zwei zankende Frauen, der andeutet, das Kind, um das beide streiten, mit einem Schwert entzweischlagen zu wollen.
Gar nicht so kinderleicht ist es zu beantworten, wer denn die fast namensgleiche Salome gewesen sein soll. Fest steht: Meine heutige Interviewpartnerin, 1992 in Niedersachsen geboren, wurde nach einer Figur aus der Bibel benannt: „Mein Vater wollte unbedingt einen biblischen Namen.“ Es gibt mehrere Salomes in der Bibel, zum Beispiel eine, die nach der Auferstehung mit anderen Frauen an das leere Grab Jesu kommt. Sehr bekannt ist auch eine Salome, die – wenig passend zur Bedeutung ihres Namens „Die Friedliche“ und definitiv zu heftig für meine Kinderbibel – den Kopf von Johannes dem Täufer auf einem Silbertablett fordert und erhält.
Sonderlich geläufig dürfte die Assoziation zu dieser blutrünstigen Geschichte – auch zu dem darauf basierenden Drama von Oscar Wilde und der gleichnamigen Oper von Richard Strauss – heute aber nicht mehr sein. Meine Interviewpartnerin hebt dann auch als besonderen Pluspunkt ihres Namens dessen schöne Bedeutung hervor.
Salome, die ihren Namen mit weichem S, langem o und langem e ausspricht, ist das mittlere Kind von fünf Geschwistern. Bis auf die Älteste tragen alle biblische Namen, wobei die Rufnamen alle deutlich geläufiger sind als bei ihr. „Ich hätte deshalb früher gern mit meinen Schwestern getauscht“, erinnert sich Salome. Auch „ein Name wie Lara oder Lena“ hätte ihr gefallen oder zumindest „ein einfacherer Zweitname“. Sie hat, anders als mehrere ihrer Geschwister, aber gar keinen weiteren Vornamen.
Sie hat sich über die Jahre mit ihrem Namen angefreundet: „Mittlerweile mag ich ihn sehr, wenn ich auch finde, dass er zu einem ‚klassischen‘ deutschen Nachnamen nicht so gut passt.“ Auf ihrer Negativliste stehen mehrere Punkte. So stört es sie, „dass ich meistens meinen Namen noch mal wiederholen muss, wenn ich mich irgendwo vorstelle. Und dass viele den Namen falsch aussprechen – mit kurzem o und kurzem e –, wenn sie ihn lesen. Ich hasse es, wenn das passiert!“ Dazu fällt ihr eine kleine Szene ein: „Nach einer OP war ich noch etwas müde von der Narkose. Der Pfleger sprach meinen Vornamen falsch aus. Ich stand noch neben mir, aber ihn korrigieren konnte ich trotzdem.“
Ihr missfällt auch, „dass ich öfter versehentlich Salomon genannt werde. Und ich bekomme häufiger Post mit ‚Herrn Salome …‘.“ Auch ihre Quarantänebescheinigung zu Beginn der Pandemie wurde auf „Herr“ ausgestellt. „Leider musste ich trotzdem in Quarantäne …“ Zu weiteren Reaktionen zählen die Frage, „ob ich jüdisch oder sehr christlich wäre“, und die Annahme, sie würde ihren eigenen Namen – ohne Akzent auf dem e – falsch schreiben. „Soweit ich weiß, ist meine Schreibweise aber die Ursprungsform.“ Von ihrem Namen abgeleitete Spitznamen gibt es nicht beziehungsweise werden im Keim erstickt („Salo finde ich schrecklich!“). Eine Ausnahme macht sie für ihre jüngere Schwester: „Nur sie darf mich sogar Salami nennen.“
Wer denkt, mit einem seltenen Namen könne er Namensdopplungen sicher vorbeugen, wird von Salome widerlegt: „Ich war in einem Kindergarten mit nur zwanzig Kindern und lustigerweise gab’s dort eine zweite Salome.“ Zudem erinnert sie sich an ein Erlebnis in einem Supermarkt: „Ein fremder Junge rief meinen Namen und ich hab mich gewundert, was er von mir wollte. Aber er meinte seine Schwester, die neben mir stand.“
Salome konnte inzwischen selbst schon einen Namen aussuchen, der hier nicht verraten werden soll. Nur so viel: „Ich wollte für meinen Sohn einen Namen, der einfach zu schreiben und bekannter ist.“
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