Weihnachten? Für Knud Bielefeld (47) nur zweite Liga. Zwar genießt er die Feiertage mit seiner Familie, mit viel Lego und Playmobil für den Sohn, gutem Essen und liebem Besuch. Gedanklich ist Bielefeld unterm Baum aber schon ein paar Tage weiter. Schließlich veröffentlicht der „Vornamenhobbyist“ aus Ahrensburg kurz vor dem Jahreswechsel seine Hitliste der beliebtesten Vornamen Deutschlands – alle Jahre wieder.
181.300 Geburtsmeldungen wertete Bielefeld mit seinem Team dieses Mal aus, das sind 27 Prozent aller 2014 in Deutschland geborenen Kinder. Mit einer Überraschung selbst für den Vornamensexperten: Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen wurde Mia, seit 2009 Deutschlands beliebtester Mädchenname, von Emma aus dem Feld geschlagen. Bei den Jungen blieb es beim Vorjahressieger, Ben.
Annemarie Lüning: Du hast in den letzten Tagen deiner Liste der beliebtesten Vornamen den letzten Schliff gegeben. Wie sah das aus?
Knud Bielefeld: Überwiegend habe ich nicht mehr Zeit investiert als sonst. Am 28. Dezember war es allerdings ein richtiger Achtstundentag. Die Hitliste wird zwar auf Knopfdruck ausgeworfen, es mussten aber noch Daten eingepflegt werden, und die Qualitätssicherung ist immer wichtig. Das Verhältnis der pro Bundesland erfassten Geburten zur Einwohnerzahl muss ausbalanciert sein. Ja, und dann kommen natürlich ab dem 29. etliche Medienanfragen.
AL: Gibt es immer gleich viele Anfragen – oder gar immer mehr?
KB: Im letzten Jahr ist Michael Schumacher einen Tag vor Veröffentlichung der Hitliste verunglückt, das Thema war dann natürlich drängender. Sonst gilt aber schon: Namen interessieren jeden. Manche Menschen haben sogar regelrecht Angst, dass ihr Lieblingsname zu häufig werden könnte.
AL: Zu Recht?
KB: Wie schlimm es wirklich ist, Namensvettern zu haben, muss jeder für sich entscheiden. Es gibt durchaus den Trend zum besonderen Kindernamen, daneben aber auch etliche andere Trends. Ungewöhnlichere Namen wie Theofania oder Filibert werden übrigens öfter in Geburtshäusern als in Kliniken vergeben. Statistisch gesehen häufen sich aber auch die Emmas nicht: Nur eins von hundert Kindern heißt so. Und es kann genauso der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sich in einer Schulklasse drei Lenas treffen.
AL: Von wie vielen Kindern sprechen wir tatsächlich, wenn es um Platz 1 geht – oder um Platz 500?
KB: Hochgerechnet tragen etwa 8.000 Kinder des Jahrgangs 2014 den beliebtesten Vornamen und etwa 50 bis 100 einen auf Platz 500.
AL: Was rätst du Eltern, die allzu häufige Namen meiden wollen?
KB: Jedes zweite in diesem Jahr geborene Mädchen hat einen Namen aus den Top-56, jeder zweite Junge einen aus den Top-58. Ab diesen Platzierungen kann man nicht mehr von häufig sprechen.
AL: Du hast Neymar zum Namen des Jahres erkoren. Wie kam es dazu?
KB: Neymar schafft es bislang zwar nur in die 2.500 beliebtesten Namen Deutschlands, hat aber sicher das Zeug dazu, weiter aufzusteigen: Namen mit Ypsilon liegen im Trend. Besonders spannend finde ich, dass dieser in Deutschland neue Name sich so gut auf eine aktuelle Quelle – die Fußball-WM und den brasilianischen Starspieler Neymar – zurückverfolgen lässt.
AL: Die Gewinnerin der aktuellen Hitliste ist Emma. Wann hat sich das abgezeichnet?
KB: Noch im Sommer habe ich damit gerechnet, dass wieder Mia und Ben aufs Siegertreppchen steigen. Dann hat Emma aber stark aufgeholt, während Mia seltener vergeben wurde. Emmas Sieg ist momentan zwar hauchdünn, doch wenn sich der Trend fortsetzt, hält sie ihren Platz 2015, und zwar souverän.
AL: Wo hat sich sonst noch etwas getan?
KB: Jedenfalls nicht bei den Zweitnamen, hier beobachte ich noch weniger Bewegung als bei den Erstnamen. Man könnte ja denken, dass Eltern sich beim zweiten Namen austoben, dem ist aber nicht so. Namen mit dem Anfangsbuchstaben E gehen gerade sehr gut: Emma, Elias, Emilia, Ella und Emil. Aber auch Anni/Annie/Anny zählt zu den Aufsteigern 2014. Nach der Erfahrung mit Emma schließe ich nicht aus, dass Ben 2015 abgelöst wird – vielleicht von Luis/Louis, Henri/Henry oder Elias.
AL: Du erfasst derzeit 27 Prozent aller Geburten. Reicht das, oder möchtest du noch mehr?
KB: Wenn ich einen Wunsch frei hätte: natürlich 100 Prozent. Das wird aber schon deshalb nicht klappen, weil ich überwiegend auf die Meldungen von Geburtskliniken angewiesen bin und nicht alle Eltern die Namen ihrer Kinder veröffentlichen lassen. Außerdem ist es natürlich eine Frage von Aufwand und Kosten. Für die Regionalstatistiken würde es sich lohnen, nach und nach etwas aufzustocken, das habe ich auch vor.
AL: Wenn du tatsächlich 100 Prozent aller Babys in deiner Datenbank hättest …?
KB: … würde sich die Hitliste sicher nicht signifikant ändern. Vielleicht würden Emma und Mia wieder ihre Plätze tauschen, und statt Platz 6 würde Anna Platz 4 erreichen und Lena Platz 9 statt Platz 7. Keinesfalls aber würde Anna auf Platz 30 landen, die Tendenz würde bestehen bleiben.